Wie bereits im letzten Jahr waren beide Tage „MBO macht Musik“ binnen 48 ausverkauft – entsprechend groß die Erwartung, das war deutlich zu spüren.
Traditionell eröffnet wird das Konzert vom Schulorchester und als die ersten verträumten Töne zu hören sind, löst sich die Spannung in ein wohliges Gefühl der freudigen Erwartung auf diesen Abend. Kraftvolle Bläser, satte Streicherflächen und eine präzise Rhythmusgruppe in Ludovico Einaudis „Experience“ sorgen für einen stimmungsvollen Anfang.
Für einen besonderen Moment sorgen Leonard Dribinsky und Delia Niculescu, die Bruno Mars‘ „Count on Me“ in einer Version für Cello, Gitarre und Gesang vortragen – sie verwandeln einen Popsong aus dem Mainstream in ein voller Ruhe und Klarheit getragenes Musikstück und beweisen, dass das „Covern“ im besten Sinne nicht einfach ein Nachspielen ist, sondern ein sich Aneignen eines Songs verbunden mit einer kreativen Transformation.
Am zweiten Abend ist an dieser Stelle ein weiteres wunderschönes Duett zu hören:
Julie Brix und Ringo Schubert spielen City of Stars aus dem Musical-Film LaLaLand – ein Auftritt, der von einer tiefen Vertrautheit des Duos zeugt: nie steht ein Part im Vordergrund, in dem sie sich den Ball musikalisch zuspielen bilden die beiden eine Einheit.
Taylor Swift verarbeitet in ihrem Song, gespielt von der 7.3, ihren persönlichen Umgang mit schlechten Kritiken: „Shake it off“ – schüttel es ab! Die von der Klasse selbst entwickelte Choreografie bebildert diese Haltung. Genauso raffiniert wie die Choreo ist das Arrangement, das Streicher und Bläser ebenso einbindet wie die Gitarren, die Rhythmus- und Tasteninstrumente.
Mit „(I just) died in your arms” lieferten “Mia and me” in entspanntem Groove eine stimmungsvoll-lässige Version des Klassikers von von “Cutting Crew”. Viele der Eltern und Lehrkräfte haben sich in diesem Moment vielleicht gefragt, ob diese Version nicht vielleicht sogar das Original aus dem Jahr 1986 in den Schatten stellte.
Die 8.3 verbreitete gute Laune mit „Take Me Home Boy” von “Color The Night”. Der Begriff „tight“, der soviel bedeutet wie „auf den Punkt gespielt, rhythmisch präzise“ kommt einem bei dieser Darbietung in den Sinn. Die gute Laune bringen die Sängerinnen und Sänger dann im wahrsten Sinne des Wortes in den Saal, als sie die Bühne verlassen und in den Zuschauerraum gehen.
Am Freitag performten dann „Toloose“ mit „Roxanne“ (The Police) einen der bekanntesten Popsongs der letzten 50 Jahre – in einer radikal veränderten Version – ohne Schlagzeug. Getreu dem Motto „it’s not a bug – it’s a feature“ (es ist kein Fehler, es ist eine Funktion), das mancher vielleicht von Computernerd Herr Stier kennt, kann man sagen: glücklicher Zufall, dass gerade kein Drummer zur Stelle war. Wenn eine Band es schafft mit Gefühl und getragen von einer ausdrucksstarken Stimme so zu spielen, dann reicht einfach auch mal der Schellenkranz (im Übrigen ein weithin unterschätztes Instrument: er ist unverstärkt bis in die letzte Reihe zu hören und kann eine Band entweder zusammenhalten – oder den Rhythmus komplett ruinieren – ihn spielen zu dürfen, sollte also als Auszeichnung angesehen werden und nicht als Notlösung, wenn die anderen Instrumente schon vergeben sind 😉
Dass man auch ohne in der Musikklasse zu sein an der MBO auf die große Bühne kommen kann, beweist der Wahlpflicht-Kurs des 9. Jahrgangs, der mit „Would I Lie To You” von Charles & Eddie einen 90er-Jahre-Klassiker bringt. Die soulige Ballade performt der Kurs mit viel Präzision und Hingabe.
Ein weiterer Feel-Good-Auftritt kommt vom Mittelstufenchor, den Beatles-Evergreen „All you need is love“ auf die Bühne bringt – in einer ausgeklügelten Version, die den verschiedenen stimmlichen Facetten des jungen Ensembles Raum gibt und sie schön zur Geltung bringt.
Die Cool Cats (Jazz/Funk-Modul der Mittelstufe) lieferten mit „Soul With A Capital S” von “Tower of Power“ eine erste Portion Funk in die MBO-Aula, ein Genre, das noch an diesem Abend noch öfter erklingen wird. Dass die Band von ihrem Leiter vor dem Auftritt noch eine Extraprobe gefordert hat (und natürlich auch bekam), hat sich am Ende wirklich gelohnt, hier wurde mit viel Herzblut gespielt.
Einen so bekannten Song wie „Summertime“ zu spielen, birgt ein gewisses Risiko: wirklich jeder kennt diesen Jazz-Standard, es existieren so viele Coverversionen davon wie von kaum einem Song und viele haben ihre persönliche Lieblingsversion. Wenn aber Mia Grycze mit so seidenweicher Stimme singt und von Amelia Bartold so subtil und gefühlvoll begleitet wird, kann man getrost behaupten, das Wagnis wurde mit Bravour gemeistert und manch einer im Publikum hat vielleicht eine neue Lieblingsversion des Gershwin-Songs.
Während ich diesen Text über den Song der 9.3 schreibe, bekomme ich schon wieder einen Ohrwurm: Elton Johns „I’m Still Standing” mit dem markanten “Yeah, yeah, yeah” im Refrain setzt sich wirklich fest im Gehörgang – besonders, wenn der Song mit soviel Musikalität und Lebensfreude wie von der 9.3 gespielt wird. Wie ernst die Musikklassen die Veranstaltung nehmen, hört man nicht nur an der musikalischen Qualität – man sieht es auch, wenn etwa in der 9.3 – ganz im Stile Elton Johns – alle die gleiche Herzchensonnenbrille tragen und so zeigen, dass Details eine Wirkung haben.
Beendet wird die erste „Halbzeit“ von Schülerinnen und Schülern des 13. Jahrgangs, die einen Mädchentraum erfüllen und „Mädchen auf dem Pferd“ aus dem Bibi und Tina-Film spielen. Stilecht im Cowgirl bzw. -Boy-Outfit versprühen sie pure Lebensfreude und schaffen einen rührseligen Nostalgie-Moment.
Am Freitag spielen ebenfalls Abiturientinnen und Abiturienten Gloria Gaynors „I will survive“ und nicht nur die Sängerinnen (manche würden hier den etwas abgedroschenen Begriff „echte Soul-Röhren“ bemühen), die ganze Band beweist, dass sie sich nach all den Jahren an der MBO mittlerweile ganz schön wohl fühlt auf der großen Bühne.
Für swingende Klänge sorgte in der Pause Georg von Nolting, mittlerweile ehemaliger Schüler der MBO, am Flügel.
Der Oberstufenchor der MBO – wer in die glücklichen Gesichter auf der Bühne guckt und bei diesem Auftritt nicht zumindest innerlich lächelt, hat kein Herz. Die präzise Mehrstimmigkeit, die pure Lebensfreude von Dutzenden Sängerinnen und Sängern (plus die der Band und der Lehrkräfte), die kraftvollen Soli – jedes Jahr ist der Chor ein Highlight und auch dieses Jahr wird das Publikum mit „Hold My Hand“ von Lady Gaga und “Somebody To Love” von Queen in der Version der Kultserie “Glee” nicht enttäuscht. Die Kraft dieser eigentlich Solo gesungenen Popsongs wird einfach fünfundsiebzigfach verstärkt.
Nach dem riesigen Vocal-Ensemble mit lediglich sieben Sängerinnen und einem Sänger aufzutreten, mag erstmal einschüchternd wirken. Tatsächlich schafft der Chor des elften Jahrgangs es aber, mit einer beeindruckenden rhythmischen Präzision ein kurzes Stück für Chor von Christoph Hiller („Come On, Baby“) zu performen und dabei wirklich hart zu grooven (verzeihen Sie mir den Anglizismus, das lässt sich kaum auf Deutsch ausdrücken, gemeint ist ein rhythmisches Feingefühl, das gleichzeitig stark vorantreibt und dennoch völlig entspannt wirkt – und einem ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht treibt). Der zweite Song ist ein Chor-Arrangement von Billie Eilishs „Bad Guy“, das so viele interessante Passagen hat und in seiner verrückt ansteigenden Melodieführung fast an das Doo-Wop der Swingle Singers aus den 60er-Jahren erinnert.
„You know how we do it? – nice and easy … and rough” (Weißt du, wie wir es machen werden? – entspannt, in aller Ruhe … und derb). Das ist doch mal eine Ansage in den ersten Worten von „Proud Mary“ in der Version von Tina Turner. Schon der langsame Halftime-Part am Anfang „geht in die Beine“, wie man früher gesagt hätte. Als die Band dann in den roughen Part in doppeltem Tempo übergeht gibt es eine rockig-funkige Breitseite und spätestens jetzt hält es viele Gäste nicht mehr auf den Sitzen (wie übrigens schon im letzten Jahr beim Auftritt dieser außergewöhnlichen Klasse).
Alles andere als ‚halbherzig‘ kommt „half hearted” von “We Three“, gespielt von Schülerinnen und Schüler des 13. Jahrgangs daher. Der atmosphärische Sog des Songs zieht einen in seinen Bann. Die ganze Band ruht in sich und kreiert einen berührenden Moment.
Nicht minder bewegend ist die Ballade „People Help The People” von “Birdy”: filigraner Gesang unterstützt von einer sehr gut eingespielten Band. Besonders mitreißend ist der Refrain.
Queen schrieben mit „death on two legs“ eine Abrechnung mit ihrem ehemaligen Manager und man hört den Song anders, wenn man diesen Hintergrund kennt: wie druckvoll und treibend die Band spielt, mit wieviel Biss die Sängerinnen da ins Mikro singen – da kann man die Wut und die gleichzeitige Freude daran, diese musikalisch rauskotzen zu dürfen, sehr gut nachempfinden. Die liebevoll ausgesuchten Kostüme im Stile Queens verkörpern dabei auch ein Feiern eines queeren Lebensstils – auch wenn Freddie Mercury sich zeitlebens nie geoutet hat.
Der LK 12 bringt gleich vier Songs auf die Bühne: People Get Up and drive your Funky Soul /A Man’s World von James Brown und I wish/Superstition von Stevie Wonder. Das raffinierte Arrangement hat das Ziel, den Fokus nicht immer nur auf den Gesang zu legen, sondern auch die instrumentalen Parts zu würdigen – und wie ginge das besser als mit der wohl funkigsten Bassline der Popgeschichte aus „i wish“ und dem wohl bekanntesten Part für das Hohner Clavinet – eine Art elektrifiziertes Cembalo, das sehr gerne im Funk verwendet. Der Leistungskurs mutiert hier mit präzisen Breaks, einer knackigen Horn-Section und immer hart groovend zu einer Show-Band, die auch in einer amerikanischen Late-Night-Show eine gute Figur machen würde.
Mit dem programmatischen Titel “(I’ve Had) The Time Of My Life” aus dem Kultfilm Dirty Dancing” geben die Schülerinnen und Schüler des LK 13 zu verstehen dass sie an der MBO die Zeit ihres Lebens hatten. Es ist berührend mit anzusehen, wieviel Freude es den Beteiligten bereitet, ein allerletztes Mal auf der MBO-macht-Musik-Bühne zu stehen. Am Freitag gibt es dann als Abschiedsgruß vom LK 13 an die Lehrkräfte ein Akustik-Medley mit allen aufgeführten Songs von der 7. Klasse an und eine wirklich sehr rührende Danksagung und Verabschiedung.
Der Abend endet traditionell mit der Buber-Band, die aktuell zwar leider nicht so „big“ ist wie sie mal war (und sich immer über jeden Zuwachs freut), aber mit „feeling good“ in der Version von Michael Bublé einen echten Gassenhauer im Gepäck hat. Mika Corleisen, stilecht im Show-Pailletten-Sakko, singt ausdrucksstark mit sauberer Intonation, während die Band ihn souverän begleitet. Als Rausschmeißer gibt es dann noch „Play That Funky Music White Boy“ von Wild Cherry. Hier kommt als Unterstützung am Gesangsmikro Angelina Vogel dazu, die gemeinsam mit der Buber Band eine ausgelassene Funk-Party feiert.
Durch den Abend führten sympathisch und souverän Elise Reinemann, Charlotte Walther und Bjarne Zachariae.
Licht und Ton waren dank dem Team von Mathis Richter- Reichhelm, Edin Dedic und Constantin Saurin wieder von allerhöchster Qualität.
Den vielen glücklichen Gesichtern nach zu urteilen war die Veranstaltung auch 2024 wieder ein großer Erfolg und wir freuen uns schon auf die Serenata im Juni.
Text: Simon Roth